Earthly Things – Ghostly Matters
Bettina Carl
Bettina Carl is a Swiss-German artist, based in Zurich, educated in Berlin, born in Bavaria in 1968.
Her artistic practice focusses on drawing and installation. She aims to deconstruct some of the socio-cultural notions shaping our ideas of corporealities, nature, and history. Bettina Carl’s multi-layered compositions evade a narrative approach, often verging on abstraction, while showing a quirky sense of humour, and remaining essentially figurative.
Bettina Carl graduated as a Master of Fine Arts from the Berlin University of Art, and holds a Certificate of the Critical Studies Postgraduate Course by the Art Academy Malmo, Sweden. Carl’s artworks have been showcased internationally in galleries and institutions. Among her recent projects are exhibitions at Museum Haus Konstruktiv Zurich, DuflonRacz Brussels and Berne, Haus am Kleistpark Berlin, Helmhaus Zurich, Kunsthaus Grenchen, Laura Mars Gallery Berlin, D.U.M. Museum for Contemporary Art Brno, CZ, Haus am Luetzowplatz Berlin, and Lucie Fontaine, Milan. Her artworks have been awarded prestigious grants, including the Canton of Zurich Art Award, the Senate of Berlin Art Grant, support from the Stiftung KunstFonds Bonn, and a Pro Helvetia residency grant.
Bettina Carl ist eine deutsch-schweizerische Künstlerin, lebt in Zürich, in Berlin ausgebildet, geboren 1968 in Bayern.
Der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Praxis liegt auf Zeichnung und Installation. Ihr Ziel ist es, einige der soziokulturellen Vorstellungen, die unsere Ideen von Körperlichkeit, Natur und Geschichte prägen, zu dekonstruieren. Bettina Carls vielschichtige Kompositionen entziehen sich einer narrativen Herangehensweise und grenzen oft an Abstraktion, während sie einen schrägen Sinn für Humor zeigen und im Wesentlichen figurativ bleiben.
Bettina Carl schloss ihr Studium an der Universität der Künste Berlin mit einem Master of Fine Arts ab und hält ein Zertifikat des Critical Studies Postgraduate Course der Kunstakademie Malmö, Schweden. Carls Kunstwerke wurden international in Galerien und Institutionen ausgestellt. Zu ihren jüngsten Projekten gehören Ausstellungen im Museum Haus Konstruktiv Zürich, im DuflonRacz Brüssel und Bern, im Haus am Kleistpark Berlin, im Helmhaus Zürich, im Kunsthaus Grenchen, in der Galerie Laura Mars Berlin, im D.U.M. Museum für zeitgenössische Kunst Brno, CZ, im Haus am Lützowplatz Berlin und bei Lucie Fontaine, Mailand. Ihre Arbeiten wurden mit renommierten Stipendien ausgezeichnet, darunter der Kunstpreis des Kantons Zürich, das Kunststipendium des Berliner Senats, die Unterstützung der Stiftung KunstFonds Bonn und ein Aufenthaltsstipendium von Pro Helvetia.
Bettina Carl, various works, 2023. Installation and detail views
FALTEN / ANTI-FALTEN
FALTEN / ANTI-FALTEN comprises various series of drawings, and recently also textile collages, that evolve around the contradictory relations we maintain to our bodies. This relation is a tragicomical affair: we are nothing but bodies, we are animals, and yet our corporeality remains a rather inconceivable issue to us.
While experiencing the body’s needs, pains and impulses from within, we also perceive our corporeality from the outside, as a spatially confined yet not quite sealed container, an entity defined by its circumstances. Exchanging, repelling, devouring, and enfolding: there is a constant naming and moving going on between the physical Self, the space and the bodies of others. We are permeable, osmotic beings, we are vulnerable and open, and thus easily contaminating others, too.
In his text Corpus, Jean-Luc Nancy describes the body as a-réalité, an a-reality, that is: a being constantly expanding and shrinking, claiming space and presence in relation to others, while remaining unreal to the Self itself. We are entirely contingent on our bodies, yet do not find our Selves fully subsumed nor suspended within our material presence.
KNIENDER / KNEELING, 2023
An amorphous form stands out in the drawing’s centre, consisting of swirling dark lines and knots. Behind this cluster, we can make out the shape of a kneeling figure in profile, wearing a white gown. With a comical undertone, the drawing might be telling the tale of Virtue haunted by Vice, or of their inescapable mutual dependencies. KNIENDER alludes to the body negativity that is an integral concept of many religions. Within a traditionally christian context, for example, the body is always the mind’s or soul’s enemy, a highly problematic companion you (the chaste soul) would rather get rid of.
GEHENDE / THOSE WHO WALK AWAY, 2023
Open forms vaguely suggesting human backs are rising above eachother, and merging into a landscape with a yellowish sky. GEHENDE is tracing the Cartesian (or christian) notion of a dichotomic relation of mind/soul and body, and the serio-comical issues deriving from it. If there are two already, I might just as well be many. But who is in charge then, and who follows behind? As one of me is leaving, who remains? Where do I begin, where do we end?
LAMM / LAMB, 2020
In LAMM, the sketchy features of a rather frail and almost transparent body are expanding over the drawing’s surface, swallowing the background and being swallowed by it. This could be a skin or a shroud, partly torn open, and unveiling sinews, flesh, and maybe some technical devices, too.
The drawing is part of the series Einsilbige Tiere. In German, einsilbig is an ambiguous term, thus the English title is Taciturn or Monosyllabic Animals. Here, the beastly appears as a wildcard for all kinds of uncontrollabilities, whether they seem tantalising, or rather threatening.
GEWEBE I / TEJIDO I / TISSUE II, 2023
In German, English, and Spanish the terms Gewebe, tejido, and tissue may refer to textiles as well as to corporal cell structures. GEWEBE I refers to Jean-Luc Nancy’s word coining of ex-peaux-ition. Consisting mainly of left-overs from fabric stores, this assemblage alludes to the memory of clothes, the second skins we are actually able to shed. The reservoir of experiences contained in our bodies, however, are there to persist. Skin, and clothes: we are wearing and outwearing both.
FALTEN / ANTI-FALTEN
FALTEN / ANTI-FALTEN umfasst verschiedene Serien von Zeichnungen und neuerdings auch Textilcollagen, die sich um die widersprüchlichen Beziehungen drehen, die wir zu unserem Körper unterhalten. Dieses Verhältnis ist eine tragikomische Angelegenheit: Wir sind nichts als Körper, wir sind Tiere, und doch bleibt unsere Körperlichkeit für uns ein eher unvorstellbares Thema.
Während wir die Bedürfnisse, Schmerzen und Impulse des Körpers von innen erfahren, nehmen wir unsere Körperlichkeit auch von aussen wahr, als ein räumlich begrenztes, aber nicht ganz geschlossenes Gefäß, ein durch seine Umstände definiertes Wesen. Austausch, Abstossung, Verschlingen und Umhüllung: zwischen dem körperlichen Selbst, dem Raum und den Körpern der anderen findet ein ständiges Benennen und Bewegen statt. Wir sind durchlässige, osmotische Wesen, wir sind verletzlich und offen und kontaminieren daher leicht auch andere.
In seinem Text Corpus beschreibt Jean-Luc Nancy den Körper als a-réalité, eine A-Realität, d.h. ein Wesen, das sich ständig ausdehnt und schrumpft, das Raum und Präsenz in Bezug auf andere beansprucht, während es für das Selbst selbst unwirklich bleibt. Wir sind vollständig von unseren Körpern abhängig, aber wir finden unser Selbst weder vollständig in unserer materiellen Präsenz subsumiert noch aufgehoben.
KNIENDER / KNEELING, 2023
In der Mitte der Zeichnung zeichnet sich eine amorphe Form ab, die aus wirbelnden dunklen Linien und Knoten besteht. Dahinter lässt sich die Gestalt einer knienden Figur im Profil erkennen, die ein weisses Kleid trägt. Mit einem komischen Unterton könnte die Zeichnung die Geschichte von der Tugend erzählen, die vom Laster heimgesucht wird, oder von ihren unausweichlichen gegenseitigen Abhängigkeiten. KNIENDER spielt auf die Negativität des Körpers an, die ein fester Bestandteil vieler Religionen ist. Im traditionell christlichen Kontext zum Beispiel ist der Körper immer der Feind des Geistes oder der Seele, ein höchst problematischer Begleiter, den man (die keusche Seele) lieber loswerden möchte.
GEHENDE / THOSE WHO WALK AWAY, 2023
Offene Formen, die vage an menschliche Rücken erinnern, erheben sich übereinander und gehen in eine Landschaft mit gelblichem Himmel über. GEHENDE spürt der kartesianischen (oder christlichen) Vorstellung einer dichotomen Beziehung von Geist/Seele und Körper und den daraus resultierenden seriös-komischen Fragen nach. Wenn es bereits zwei gibt, könnte Ich genauso gut viele sein. Aber wer hat dann das Sagen, und wer folgt hinterher? Wenn einer von mir geht, wer bleibt dann? Wo fange ich an, wo hören wir auf?
LAMM / LAMB, 2020
In LAMM dehnen sich die skizzenhaften Züge eines eher zerbrechlichen und fast transparenten Körpers über die Oberfläche der Zeichnung aus, verschlingen den Hintergrund und werden von ihm verschluckt. Es könnte sich um eine Haut oder ein Leichentuch handeln, das teilweise aufgerissen ist und Sehnen, Fleisch und vielleicht auch einige technische Geräte freilegt.
Die Zeichnung ist Teil der Serie Einsilbige Tiere. Im Deutschen ist einsilbig ein mehrdeutiger Begriff, daher lautet der englische Titel Taciturn or Monosyllabic Animals. Das Tierische erscheint hier als Platzhalter für alle Arten von Unkontrollierbarkeit, ob sie nun verlockend oder eher bedrohlich wirken.
GEWEBE I / TEJIDO I / TISSUE II, 2023
Im Deutschen, Englischen und Spanischen können sich die Begriffe Gewebe, tejido und tissue sowohl auf Textilien als auch auf körperliche Zellstrukturen beziehen. GEWEBE I bezieht sich auf Jean-Luc Nancys Wortschöpfung ex-peaux-ition. Diese Assemblage, die hauptsächlich aus Stoffresten besteht, spielt auf die Erinnerung an die Kleidung an, die zweite Haut, die wir tatsächlich ablegen können. Das Reservoir an Erfahrungen, das in unseren Körpern steckt, bleibt jedoch bestehen. Haut und Kleidung: Wir tragen und verschleissen beides.